Vernissage

Carl-August-Jäger-Ausstellung

 


von links: Gérard Salmon, Brigitte Salmon, Hans-Joachim Kölsch, Mechthild Noss, Helmut Noss

 

Zum Auftakt erfreute "L'Ensemble Fidèle" aus Wernersberg mit klassischer Musik,
die heiter, leicht und beschwingt klang, ganz so wie der Künstler selbst im seinem Leben war.

 

Museumsleiter Hans-Joachim Kölsch begrüßte etwas mehr als 60 Gäste
zur Eröffnung der Carl-August-Jäger-Ausstellung

Zeitzeuge Helmut Noss aus Saarbrücken-Burbach
erinnerte sich in seinem Vortrag an "Carl August"

 

"Meine sehr verehrten Damen und Herren,

der niederländische Maler Vincent van Gogh sagte einmal: "Ich kenne keine bessere Definition für das Wort Kunst als diese: Kunst - das ist der Mensch." Und gut hundert Jahre später meinte der deutsche Zeichner und Aktionskünstler Joseph Beuys: "Das Kunstwerk ist das allergrößte Rätsel, aber der Mensch ist die Lösung."

Wenn Sie jetzt von mir eine Rede über die Kunst Carl August Jägers erwarten, muss ich Sie leider enttäuschen. Ich kann Ihnen aber den Menschen Carl August Jäger ein bisschen näher bringen. Denn ich bin kein Kunstexperte, sondern lediglich ein Kunstliebhaber.

Nie zuvor habe ich vor Publikum eine Rede gehalten. Als Gärtner und Florist hielt ich höchstens mal eine Ansprache an meine Pflanzen und Blumen. Deshalb bin ich schon ein bisschen aufgeregt und bitte Sie um Nachsicht, wenn ich mich mal verhaspeln sollte.

Dass ich heute hier vor Ihnen stehe, kam so: Ende September 2005 entdeckte ich eines Morgens beim Lesen der Saarbrücker Zeitung das Bild eines älteren Mannes mit Brille und Hut. Den kenne ich doch, war mein erster Gedanke. Neben dem Bild dann die Überschrift "Gesucht: Der Maler Carl August Jäger". Den kannte ich nun wirklich.

Doch warum gesucht? Interessiert las ich nun den Artikel und erfuhr darin, dass die Autorin Brigitte Salmon aus Annweiler am Trifels für ihre Biografie über den Maler Carl August Jäger noch Auskünfte über den in Völklingen an der Saar geborenen Künstler erhoffte. Sie suchte Informationen über seine Bilder, über Leute, die Jäger im Saarland porträtierte, über seine Ateliers und seine Werke, einfach alles über ihn.

Der guten Frau kann geholfen werden, dachte ich. Denn beim Lesen des Artikels wurden alte Erinnerungen in mir geweckt. Hatte doch der Künstler Anfang der fünfziger Jahre sein Atelier in meinem Elternhaus. Ich selbst war zu diesem Zeitpunkt erst fünf, sechs Jahre alt. Doch hat Carl August Jäger mich damals so beeindruckt, dass auch mehr als ein halbes Jahrhundert später die Erinnerungen an ihn noch sehr lebendig sind.

Ich griff also zum Telefonhörer, rief Frau Salmon an und erzählte ihr von meinen Erinnerungen an Carl August Jäger und von seinen Bildern, die in unserem Besitz sind. Auch, dass meine Mutter alte Zeitungsartikel über Jäger aufgehoben hat, alte Postkarten, die er meiner Familie geschickt hatte und schließlich auch seine Todesanzeige sowie einen Nachruf über ihn aus der Saarbrücker Zeitung.

Es freut mich sehr, dass Frau Salmon so viele Informationen über Carl August Jäger zusammentragen konnte, um tatsächlich eine Biographie über den Künstler schreiben zu können. Diese wurde in der Ortschronik "Bindersbach - Das Dorf am Fuße des Trifels" veröffentlicht, die 2006 anlässlich der 700-Jahrfeier von Bindersbach erschienen ist.

Ganz besonders freut mich aber auch, dass es Frau Salmon und Herrn Kölsch vom Museum unter Trifels gelang, eine Ausstellung mit dem Werk von Carl August Jäger zu organisieren. Auch fünf in unserem Besitz befindliche Bilder sind in dieser Ausstellung zu sehen. Wir haben sie sehr gerne hierfür zur Verfügung gestellt.

Besonders stolz bin ich auf die von Carl August Jäger selbst gezimmerte Staffelei, die er mir bei seinem Weggang aus Saarbrücken vermacht hat mit den Worten: "Die ist für dich, benutze sie!". Sie ist hier ebenfalls ausgestellt, sogar mit meinem Lieblingsbild von Jäger darauf: "Waldweg am Trifels."

Warum hat Carl August Jäger ausgerechnet einem Sechsjährigen seine Staffelei vermacht? Wie schon eingangs erwähnt, wohnte der Maler in den Jahren 1950 bis 1952 in meinem Elternhaus in Saarbrücken-Burbach.

Eigentlich hatte er zu diesem Zeitpunkt seinen Wohnsitz in Bindersbach bei Annweiler auf seiner Jägerburg. Da er damals jedoch mehrere Malaufträge im Saarbrücker Raum hatte, richtete er vorübergehend auch sein Atelier bei uns ein. Mein Vater war damals mit Jägers Schwager, dem Staatsanwalt Dr. Eduard Kaiser aus Annweiler, befreundet. So kam die Verbindung zu dem Maler zustande.

Jägers Atelier befand sich im Souterrain unseres Hauses. Wenn er bei uns malte, wich ich nicht von seiner Seite. Stundenlang sah ich ihm zu und hörte seine Erklärungen über Farben, Formen, Stilrichtungen. Dadurch animierte er mich zu Selbstversuchen.

Danach sah ich manchmal bunter aus als seine Farbpalette. Wenn meine Mutter mich deswegen ausschimpfte, nahm er mich immer in Schutz. Damit ich nicht noch mehr Kleider ruinierte, nähte sie mir eigens einen Malerkittel. Dafür musste ein altes Hemd meines Vaters herhalten: der Kragen wurde abgetrennt und die Ärmel gekürzt. Und im Nu war das ehemals weiße Hemd ein ganz buntes.

Der Umgang mit Farben war nicht nur ein kindliches Strohfeuer. Ich nahm mir Jägers Abschiedsworte zu Herzen und benutzte seine Staffelei mein Leben lang. Mein Traum wäre ein Kunststudium gewesen. Mein Vater jedoch meinte, die Malerei sei brotlose Kunst und: "Gelernt wird was Ordentliches". So blieb das Malen lediglich mein Hobby.

Für mich war der Künstler nicht der Herr Jäger oder Onkel Carl August. Nein, ich durfte einfach Carl August zu ihm sagen. Zu der Zeit war es nicht üblich, dass Kinder ältere Menschen einfach nur mit dem Vornamen anredeten. Carl August Jäger war seiner Zeit um viele Jahre voraus.

Er nahm auch regen Anteil an unserem Familienleben. Sehr oft saß er mit uns am Mittagstisch. Für Kost und Logis revanchierte er sich hin und wieder mit einem Bild. So zum Beispiel "Sonnenblumen in blauer Vase", oder "Rote Rosen" zu Vaters Geburtstag. Meinem älteren Bruder Werner schenkte er zu seiner Einschulung eine Zeichnung mit Widmung, die dieser natürlich als Andenken aufbewahrt hat.

Auch als Baysitter für meinen Bruder und mich war der Maler gelegentlich tätig. Wir freuten uns jedesmal, wenn die Eltern mal weg mussten. Denn wenn Carl August auf uns aufpasste, bekamen wir immer spannende Geschichten zu hören.

Ich erinnere mich auch an Carl Augusts Aufgeregtheit bei der Geburt meines jüngeren Bruders Franz am 2. Februar 1952. Damals waren noch Hausgeburten üblich. Carl August kam andauernd in unsere Wohnung: "Ist es schon da?". Er war aufgeregter als der Vater. Als das Baby endlich geboren war und er den neun Pfund schweren Jungen sah, sagte er zu meiner Mutter: "Ilschen, das hast du gut gemacht."

Irgendwann in einem Sommer besuchten wir Carl August und seine Frau Kätha auf der Jägerburg in Bindersbach. Da Kinder neugierig sind, erforschten mein Bruder Werner und ich die Jägerburg. Faszinierend für mich war der Baustil. Es ging treppauf, treppab. Hier ein Winkel, dort ein imaginäres Fenster, Skulpturen an jeder Ecke, teils düstere Räume, teils lichtdurchflutete Zimmer.

Auch der Garten wurde von uns aufs Genaueste untersucht: phantasievoll bepflanzt, ohne erkennbare Linie, üppig und farbenfroh. Denken Sie an die Garten-Gemälde der französischen Impressionisten Claude Monet, Auguste Renoir oder Edouard Manet und Sie haben ein Bild von Jägers Garten vor Ihren Augen.

Dann waren da auch Bienenstöcke. Carl August warnte uns vor den Bienen, versprach aber, sie uns zu zeigen. Er setzte einen Hut mit einem daran befindlichen Netz auf, das sein Gesicht schützte, steckte sich eine Pfeife an und erklärte uns vieles über Bienen. Wir sollten uns dabei ruhig verhalten.

Eine Biene verirrte sich jedoch in meinen Haaren. Das Unheil nahm seinen Lauf. Ich schlug nämlich nach der Biene, um sie zu verscheuchen, habe aber dadurch das ganze Bienenvolk aufgeschreckt. Zu Hunderten fielen sie über uns her.

Über und über bedeckt mit stechenden Bienen liefen wir zum Haus zurück. Die Eltern und Kätha versorgten unsere zerstochenen Gesichter, Arme und Beine. Einziger Kommentar von Carl August: "Ihr werdet nie Rheuma bekommen."

Damals war ich sechs Jahre alt, jetzt bin ich sechzig. Und tatsächlich bin ich all die Jahre von Rheuma verschont geblieben. Ob Carl August Jäger deswegen auch als Wahrsager zu sehen ist, bezweifele ich. Zweifelsohne war er jedoch ein liebenswerter Mensch.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!"

 

 

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